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Der Selbstbaukünstler

Leistbares Bauen ist doch heute wieder

ein Thema, Herr Prof. DI Dietmar Eberle?

In den späten 1970er Jahren war das ein

Thema – und genau darüber haben wir mit

dem Vorarlberger Baukünstler* der zweiten

Generation gesprochen, philosophiert,

politisiert. Fachsimpeln alleine ist für

Dietmar Eberle zu wenig. Jedes Thema wird

schnell zum Reizthema. Ein Architekt ist nun

mal ein zeitpolitischer Mensch. Eberle hat

früh damit begonnen. Schon während seiner

Studienzeit, als er gemeinsam mit Wolfgang

Juen, Markus Koch und Norbert

Mittersteiner die Cooperative Dornbirn

gründete, sah er im Selbstbau, in einfachs-

ten Details ohne komplizierte Maschinen

und Verfahren seine Bestimmung.

Veränderlichkeit war damals ein größerer

Wert als Beständigkeit. Für diese Generation

war Holz ein Mittel zum Zweck, keine

Weltanschauung, schon gar keine regionalis-

tische. Für Eberle & Co waren andere Werte

wichtig. Sie wollten schnell etwas bauen,

wollten billig bauen, wollten gemeinschaft-

lich bauen und wohnen. In dieser Zeit wollte

man sich nicht in fein geputzten und jedes

Jahr neu gestrichenen Häuschen einnisten

und abschotten. Man wollte kollektiv,

alternativ leben, selbstbestimmt, die

Ressourcen schonen. Einfach natürlich sein.

Baubiologie war mehr oder weniger unbe-

kannt.

Aus diesem Denken ist die Siedlung Im Fang

in Höchst entstanden. Ein Wohnbauprojekt,

bei dem die Bewohner mitbauen und mitent-

scheiden konnten. Fünf 2-3 geschossige

Häuser sind durch einen gedeckten Innenhof

zu einer Wohngruppe zusammengefasst.

In dieser halböffentlichen Zone liegen die

Hauseingänge und Gemeinschaftszonen.

Das Konzept des Mitbauens (auch Eberle

legte Hand an) und Mitentscheidens der

Betroffenen wurde durch eine leichte Holz-

bauweise mit 3,6 m im Quadrat als Rastermaß

erleichtert. Der einfache Skelettbau war so

angelegt, dass die von Zimmerern aufgestellte

Primärkonstruktion von den Planern und

künftigen Bewohnern selbst mit den Böden

und Wänden, den Verandaverglasungen und

Verschalungen komplettiert werden konnte.

Das machte die Sache für alle Beteiligten

erst finanzierbar und ermöglichte kollektive

Zusatzräume sowie individuelle Eigenheiten.

Das gemeinsame Mittagessen und die

Aufteilung der allgemeinen Hausarbeit

waren ins Projekt miteingeplant und wurden

anfänglich auch realisiert.

Die WG lässt schön grüssen. Es wäre nicht

ein Cooperative-Projekt, wenn es nicht ein

provokant gebasteltes Experiment gewesen

wäre. Diese Handschrift war unverkennbar

und definierte eine neue Qualität der Archi-

tektur durch die Intelligenz der Einfachheit

und Ökonomie.

Der Idealismus der Jugendjahre war schon

eine starke Triebfeder, Herr Professor.

*

Am Ende des 20. Jahrhunderts wurde die Architek-

tur in Vorarlberg mit dem Namen Neue Vorarlberger

Bauschule bezeichnet. Sie wurde maßgeblich von

den Mitgliedern der Vorarlberger Baukünstler der

ersten und zweiten Generation geprägt. Namen wie

Wäger oder Purin, Pfanner, Mätzler oder Leopold

Kaufmann als Vorreiter, deren Nachfolge Eberle,

Gnaiger, Gieselbrecht, Untertrifaller u.a. übernom-

men haben. Die Vorarlberger Bauschule gilt als einer

der wichtigsten Vordenker der neuen Alpenarchitek-

tur, deren Formensprache sich dem Alpenraum und

der Nachhaltigkeit des Bauens anpasste, ohne aber

älplerisch-traditionell zu sein. Trotzdem sind formale

Wurzeln in den örtliche Bauformen wie Bregenzer-

wälder- und Montafonerhaus – lesbar.

»Man kann nicht mit jedem

einzelnen Gebäude die Welt

retten, nur weil man ein paar

Prozente Energie spart.

Die Frage ist doch, wo die

gesamtökologische

Effektivität am grössten ist.

Ich denke, dass wir die

Lebensdauer des Bestands

verlängern können.«

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Prof. DI Dietmar Eberle