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Ursprünglich war Stahl der geplante Konst-
ruktionswerkstoff, jetzt ist es Holz. Weil sich
Holz statisch gesehen als machbar herausge-
stellt hat. Und kalkulatorisch auch noch
kostengünstiger. Und letztlich ist Vorarlberg
doch auch ein Holzbauland.
Konkret geht es um die Dachkonstruktion der
Hallen 9 und 11, die sich aus 65 Holz-Fach-
werkträgern mit jeweils 65 Metern Länge
zusammensetzt. Die beiden Hallen mit einer
Gesamtfläche von fast 8.000 m
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werden ohne
Verwendung zusätzlicher Stützen komplett
überspannt. Vergleichbares gibt es im
Mitteleuropa nicht. Randnotiz: Die neue Halle
11 wird mit einer Fläche von 4.800 m
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und
einer Raumhöhe von 11 m die größte Veran-
staltungshalle Vorarlbergs.
WO LIEGT DER REIZ DES NOCH NICHT AUSGEREIZTEN? VERMUTLICH DARIN,
DEN BEWEIS ZU LIEFERN, DASS UNMÖGLICHES MÖGLICH IST. DIE NEUEN MESSE-
UND VERANSTALTUNGSHALLEN DER MESSE DORNBIRN ZEIGEN SCHON IN DER
BAUPHASE, DASS KONSTRUKTIVER MUT KEINE MISSION IMPOSSIBLE IST.
Gehen wir an die Grenze
Für den Planenden und den Ausführenden
hat dieses Projekt auch noch eine ganz andere
Dimension abverlangt, eine neue Dimension
der Präzision. Toleranzgrenzen lagen im
mm-Bereich, jeder Fußpunkt der Dachträger
musste exakt berechnet und platziert werden.
Weil er, einmal gesetzt, unverrückbar ist.
Getreu den 3 Prinzipien der Architektur-
definition Stabilität, Nützlichkeit und Anmut
setzen die Marte.Marte Architekten auch weit
sichtbare Signale der strategischen Neuaus-
richtung der Messe. Der schwarze Monolith
mit elliptischen Ausschnitten wirkt skulptural,
sendet ein kraftvolles Bild aus.
„Man muss
sich verlaufen, um
an unbekannte Orte
zu gelangen.“
Stefan Marte von MarteMarte
Architekten Stefan
und Bernhard Marte.
Seit 1993 gemeinsames
Architekturbüro.
65 FACHWERKSTRÄGER MIT JE 65 M LÄNGE
1 FACHWERKTRÄGER = 17.750 KG
270.000 KG VERSCHWEISSTE STAHLTEILE
122.000 SFS-STABDÜBEL
16.000 M
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OSB-PLATTEN (DACHELEMENTE)
105.000 STK. SCHRAUBEN
370.000 STK. SCHUSSNÄGEL
Holz kann sich spektakulär über die konstruk-
tive Dimension inszenieren, genauso sensibel
über die Farbgebung. Für die Innengestaltung
der Halle 11 wird Holz in Schwarz getaucht,
nicht matt, sondern leicht glänzend. Diese
Oberfläche spielt sich mit Licht und bringt
seine atmosphärischen Facetten zum Aus-
druck. Für die Architekten braucht es nicht die
Rustikalität des Holzes, geht doch die Ästhetik
weit über die Natürlichkeit des nachthaltigen
Werkstoffes hinaus. Ein klares Bekenntnis zu
Holz und zu seinem emotionalen Farbtalent.
Die international renommierten Architekten
haben seit Juli ihr neues Zuhause in der „Alten
Dogana“ unterhalb der Schattenburg in
Feldkirch gefunden. Stil- wie liebevoll restau-
riert, ist auch dieses Haus als ehemalige
Zollstätte ein Grenzpunkt. Und wenn einmal
die Inspiration der beiden Marte-Brüder an die
Grenze stößt, verlassen die Beiden ohne
Papier, Stift und Laptop ihr Büro, fahren ge-
meinsam irgendwo hin, reden über das Thema,
das sie im Augenblick nicht weiterbringt. Sie
nennen es den Dialog der Missverständnisse,
denn beim Aussprechen eines Begriffs durch
einen der Architekten wird gleichzeitig und
intuitiv eine bildhafte Vorstellung beim
anderen hervorgerufen. Ein Strich auf dem
Zeichenblock ist zu konkret, ein Wort lässt viele
Deutungen zu. Eine Art semantische Intuition.
Das klappt bei Marte.Marte, wie man immer
wieder beeindruckend feststellen kann.
(UN)VORSTELLBARE
DIMENSIONEN
DER MESSEHALLEN.
Umsetzung Holzbau
bzw. der anspruchsvollen
Deckenkonstruktion:
ARGE Kaufmann
Bausysteme GmbH,
Kaufmann Zimmerei und
Tischlerei (beide Reuthe),
Kaspar Greber (Bezau)
sowie Sutter Holzbau
(Ludesch)
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